SPD-Haushaltsexperten: Wulffs Haushaltsplanentwurf für 2010 ist Bedrohung
„Viel zu lange hat die niedersächsische Landesregierung die absehbaren Folgen der Finanzmarktkrise verdrängt, die erkennbaren Konsequenzen für die Realwirtschaft und die öffentlichen Haushalte kleingeredet und versucht unter der Krise wegzutauchen und andere die Suppe auslöffeln zu lassen!“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Heinrich Aller anlässlich der Klausur der SPD-Haushaltspolitiker.
Der SPD-Arbeitskreis für Haushalt und Finanzen sieht sich nach einer zweitägigen Klausurtagung in Barsinghausen in seiner Kritik an der Politik der Landesregierung voll bestätigt. Mit dem vom Finanzministerium vorgestellten Entwurf des Landeshalts für 2010 sammelt Wulff nicht nur einen großen Teil seiner zentralen Versprechen ein – er wird auch 4,6 Milliarden Euro neue Schulden machen. Die Versprechen Nettoneuverschuldung Null in 2010 und Pensionsfonds für Beamte sind für Wulff erledigt, erklärte die haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Renate Geuter. Zahlen, Daten und Verfahren machen deutlich, dass es Ministerpräsident Wulff nur darum gehe, über den Termin der Bundestagswahl am 27. September hinwegzukommen, bevor die ganze Wahrheit an die Öffentlichkeit kommt.
Heinrich Aller, der frühere niedersächsische Finanzminister und SPD-Landtagsabgeordnete für Barsinghausen, Gehrden und Seelze, warnte, dass in den Haushalten der Kommunen und des Landes „finanzielle Zeitbomben“ ticken. Es sei nicht erkennbar, wie die Landesregierung die niedersächsischen Kommunen in der Krise stützen wolle. Vielmehr werde es zu einer weiteren Erhöhung des anhaltenden Rekordstandes von 4 Milliarden Euro an Kassenkrediten bleiben. Die Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich (KFA), mit dem das Land einen Teil seines eigenen Schuldenabbaus finanziert habe, werde die Kommunen weiterhin einen dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr kosten. Völlig offen sei außerdem die Frage, wie die Deckungsmittel von jetzt schon 3,2 Milliarden Euro gedeckt werden sollen, die als sogenannter „Handlungsbedarf“ in der Finanzplanung des Landes ausgewiesen sind.
„Die Einnahmen werden auf breiten Front einbrechen und nicht mit den Ausgaben Schritt halten“, waren sich Aller und Barsinghäuser Vertreter einig. Barsinghausen stünde mit seinen Problemen nicht allein. Tatsächlich hatten Bürgermeister Walter Zieseniß, Kämmerer Rondo Beckmann und Erster Stadtrat Mark Lahmann in einer Prognose für die Deisterstadt massive Einbrüche bei der Einkommenssteuer, den Schlüsselzuweisungen des Landes und mit Einschränkungen auch bei der Gewerbesteuer vorausgesagt. Bürgermeister Zieseniß kündigte an, dass die „städtischen Töchter“ Sparkasse, Stadtwerke und Stadtentwicklungsgesellschaft in der kritischen Situation einen besonderen Beitrag leisten müssten. Gut gelaufen sei bisher die Abwicklung des Konjunkturprogramms II, durch das niedersachsenweit allein 920 Millionen Euro und rund 300 Millionen kommunale und Landesmittel insbesondere für Schulen und Sport mobilisiert werden konnten.
Die besondere Rolle und der Volksbanken und der Sparkassen als Partner der Kommunen und der mittelständischen Wirtschaft stand im Mittelpunkt einer Gesprächsrunde des SPD-Arbeitskreises mit Uwe Schröder und Dirk Heinrich von der Hannoverschen Volksbank. Die Banker betonten, dass gerade in der Finanzmarktkrise die Nähe zum Kunden und die genaue Kenntnis des regionalen Marktes eine „Kreditklemme“ vermieden hätte.
Mit Sorge beobachten die SPD-Landespolitiker jedoch die Entwicklung in der Sportfinanzierung in Niedersachsen. Nur bis 2011 sei die Finanzierung aus den Glücksspielerträgen gesichert, dann laufe der Staatsvertrag aus, auf den sich die Ministerpräsidenten nur noch „mit Mühe“ hätten einigen können. Direktor Reinhard Rawe vom Landessportbund und der Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes, Karl Rothmund, hatten den SPD-Abgeordneten zuvor die Aufgaben- und Finanzierungsentwicklung im Sport geschildert. Sport sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die auch entsprechend finanziell abgesichert werden müsse. Die europäische Diskussion um den “deutschen Weg“ einer Finanzierung des Vereins- und Breitensports und die widerrechtliche Konkurrenz privater Sportwettenanbieter bedeuten dringenden Handlungsbedarf für die Politik. Eine Lösung sehen die beiden Sportfunktionäre und die SPD-Finanzpolitiker nur in einem gemeinsamen Antritt der Politiker aus Kommunen, Ländern und dem Bund. In einem ersten Schritt wollen die SPD-Haushaltsexperten jetzt Druck auf den niedersächsischen Innenminister machen, der in seiner Funktion als Sport- und Innenminister die Verbote gegen illegale Sportwettenbetreiber durchsetzen soll.
Fazit der SPD-Klausurtagung in Barsinghausen: Das Tagungshotel Fuchsbachtal war für zwei Tage eine hervorragende Umgebung, um Landespolitikerinnen und Landespolitikern einen Einblick in die Arbeit von wichtigen Partnern der Politik „vor Ort“ zu geben. „Jetzt“, so Renate Geuter, „stehen uns harte Wochen der Ausschuss- und Parlamentsarbeit bevor, in die die gewonnen Erkenntnisse einfließen werden!“