Mit Moralappellen ist systematischer und vorsätzlicher Steuerhinterziehung nicht beizukommen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit von staatlicher Handlungsfähigkeit, ob Staat bereit ist, Recht und Gesetz konsequent durchzusetzen. „Wenn ein Herr Ackermann jetzt von Managern eine „Vorbildfunktion“ einfordert, dann gilt das auch im Zusammenhang mit Strafverfolgung, Aufklärung, Anklage und Verurteilung!“, fordert der SPD-Landtagsabgeordnete und frühere Finanzminister von Niedersachsen, Heinrich Aller.

Der SPD-Politiker hatte in seiner Amtszeit von 1998 - 2003 mit einer konsequenten Aufklärung und Strafverfolgung im Zusammenhang mit den so genannten Bankenfällen über eine halbe Milliarde Euro an hinterzogenen Steuern allein in Niedersachsen „reingeholt“ und zahlreiche Verurteilungen durchgesetzt. Andere Bundesländer seien weit hinter diesen Ergebnissen zurückgeblieben. Aller hatte seinerzeit auch eine „Taskforce“ gegründet, die erst kürzlich vom Bundesrechnungshof als erfolgreiches Instrument im Kampf gegen Steuerhinterziehung und organisiertes Verbrechen gelobt wurde. Was durch den Fall Zumwinkel jetzt öffentlich bekannt gewordenen ist, kann in Wirklichkeit weder die Medien noch die Experten überraschen.

In Wirklichkeit handele es sich bei den in Rede stehenden Summen auch nicht um „Steuersünder“, die Kavaliersdelikte begangen haben. Hier geht es um Steuerkriminelle, die sich nicht im letzten Moment durch Selbstanzeige der Strafverfolgung entziehen dürften. Aller ist sich sicher, dass keiner der jetzt ins Visier der Steuerfahnder Gekommenen sich mit Dummheit und Unwissenheit herausreden könne. Vielmehr sei zu prüfen, wer sich bei der planmäßigen Steuerhinterziehung der aktiven Beihilfe mitschuldig gemacht habe. Deshalb fordert der ehemalige Finanzminister, dass die Steuerbehörden schnell und konsequent handeln. Das Instrument der „Selbstanzeige“ dürfe nicht durch verzögertes Handeln der Behörden die Strafverfolgung ins Leere laufen lassen.

Der SPD-Politiker forderte am Montag in Hannover, dass mit der Verniedlichung von Steuerhinterzeihung Schluss gemacht werde. Es sei zutiefst ungerecht, wenn sich die Auffassung bewahrheitet, dass „die Ehrlichen die Dummen sind und Steuern zahlen, während die Schlauen ohne großes Risiko Steuern hinterziehen“, so Aller. Aller sieht Bund und Länder vor einer Bewährungsprobe: Vor allem die, die sich jetzt moralisch entrüsten, seien aufgerufen, zu handeln. Ob Bundeskanzlerin Merkel oder Wulff als Ministerpräsident, ob Bundesfinanzminister oder Länderfinanzminister – jetzt müsse Politik Flagge zeigen, meint Aller.

Auch wenn Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nie völlig ausgeschlossen werden könnten - „Eine Kapitulation vor systematischer Steuerhinterziehung darf es nicht geben!“ sagt Aller. Der SPD-Politiker erwartet, dass Bund und Länder schnell und wirksam die Konsequenzen ziehen und ein Maßnahmenpaket schnüren. Vorschläge der Steuergewerkschaft und der Rechnungshöfe lägen auf dem Tisch. Von anderen Ländern könne man lernen. Vor allem sei auch ein einheitliches und bundesweites Vorgehen in Steuerangelegenheiten durchzusetzen. „Wie glaubwürdig ist ein Staat“, fragt Aller, „der gleiches Steuerrecht schon im eigenen Land nicht einheitlich anwendet?“