Wie eine Bombe ist die Ankündigung der Sitzverlegung der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft (HanBG) bei Experten und Politikern eingeschlagen: Kaum war die kurze Presseinformation über die Sitzverlegung der HanBG (Hannoversche Beteiligungsgesellschaft) von Hannover nach Groß Berßen (658 Einwohner, 9 CDU-Ratsmitglieder, Landkreis Emsland) in der Landespressekonferenz verkündet, wurde über die wahren Motive der Landesregierung spekuliert.

Vergeblich hatte Finanzminister Hartmut Möllring versucht, zeitgleich im Haushaltsausschuss des Landtages noch die Opposition von SPD, Grünen und Linken von der Richtigkeit der Kabinettsentscheidung zu überzeugen. Möllrings Amtsvorgänger Heinrich Aller, SPD-Landtagsabgeordneter aus der Region Hannover, warf dem Minister deshalb nach der Sitzung vor: Die Differenz zwischen Hannover und Groß Berßen bei der Gewerbesteuer kann nicht das auslösende Argument gewesen sein. Nach seiner eigenen Logik hätte Möllring sonst ein Bieterverfahren zwischen Kommunen mit extrem niedrigen Gewerbesteuern ausloben oder eine notorisch auf Bedarfszuweisungen angewiesene Stadt beglücken können. Wenn die Methode Möllring Maßstab für künftiges Regierungshandeln werden sollte, könne man sich noch eine Fülle von Konstruktionen vorstellen, mit denen unter Steuerwettbewerbsargumenten Sitzverlegungen stattfinden müssten, meint der SPD-Politiker. Hinter diesem Kabinettsbeschluss stecke mehr, vermutet Aller: Nicht auszuschließen sei, dass die Landesregierung Möllring vorschicke, um die alte „Neiddebatte Landeshauptstadt versus ,Flaches Land‘“ rechtzeitig zur Kommunalwahl erneut zu entfachen.

„Mit der Sitzverlegung wird der niedersächsische Finanzminister zum Vorbild für Steuerflüchtlinge!“, wirft Heinrich Aller Minister Möllring vor. Die steuerpolitischen Verwerfungen und Folgewirkungen – die sonst auch von der CDU bei privaten Sitzverlagerungen kritisiert werden – werden jetzt innerhalb des eigenen Bundeslandes billigend in Kauf genommen. Der Finanzminister rücke damit Regierungshandeln in die Nähe der Unternehmer, Sportler und Schauspieler, die sich öffentlich damit brüsteten, dass sie Steuerflüchtlinge seien.

Ein Armutszeugnis stelle der Minister laut Aller seinen eigenen Fachleuten mit der Auswechslungen der bisherigen Geschäftsführung der HanBG aus: Die Reaktivierung eines pensionierten Abteilungsleiters mit einer „Neuen“ aus dem Finanzministerium an seiner Seite habe schon eine „besondere Qualität“, so der SPD-Politiker. Da mit der Sitzverlagerung nicht nur die Gründung einer Briefkastenfirma beabsichtigt sei ergäben sich zwangsläufig viele Fragen nach dem „Warum“ und dem „Nutzen“. Jeder Kenner der Rolle und der Konstruktion der HanBG wisse, dass sie eng an die politische Führung des Finanzministeriums angebunden sein müsse. Mit der knappen Presseinformation und der pflichtgemäßen Unterrichtung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen am Mittwoch sei die Angelegenheit für Möllring jedenfalls noch lange nicht erledigt, sagt Heinrich Aller voraus.